Lucas

Hypoplastisches Linksherzsyndrom (HLHS), TGA, Pulmonalatresie

 

 

16.5.1999

Hallo, liebe Herzkinderforum-Teilnehmer!

Mit Interesse haben wir die Berichte betroffener Eltern gelesen. Für uns war es tröstlich zu erfahren, daß wir ja längst nicht die einzigen sind, die ein herzkrankes Kind haben, sondern eine Familie von vielen.

Lucas ist ein Wunschkind. Während der Schwangerschaft gab es keinerlei Probleme, im Gegenteil, meine Frau blühte regelrecht auf. Einen Tag nach dem vorausberechneten Geburtstermin - am 25. 2. 1999 um 4.31 Uhr - erblickte Lucas das Licht der Welt, von seinen Eltern und Großeltern gleichermaßen mit Spannung erwartet. 4.110 g schwer und 55 cm groß - schon eine richtige kleine Persönlichkeit. Freude und Stolz auf allen Seiten. - Als ich morgens um 6.00 Uhr meine Eltern aus dem Bett klingelte, um ihnen zu ihrem Enkel zu gratulieren, wußten wir alle noch nicht, welcher Schicksalsschlag uns wenige Stunden später treffen würde.

Bei der Untersuchung des Neugeborenen stellte der Kinderarzt einen Herzfehler fest, ohne diesen jedoch genau zu diagnostizieren. Zum Glück wurden keine langen Experimente durchgeführt, sondern der sofortige Transport des Kindes mit dem Hubschrauber ins Herzzentrum nach Leipzig veranlaßt.

Meine Frau war, entgegen allen Einwänden und Bedenken der Ärzte, nicht zu bewegen, im Krankenhaus zu bleiben. Noch am gleichen Tag fuhren wir nach Leipzig, um uns vor Ort von den Spezialisten über den tatsächlichen Gesundheitszustand unseres Sohnes informieren zu lassen.

Niederschmetternder konnte die Diagnose nicht ausfallen: hypoplastisches Linksherzsyndrom, Transposition der großen Arterien, Pulmonalatresie. Meine Frau - selbst von Beruf Krankenschwester - wußte natürlich, was die Diagnose bedeutet. Natürlich stellt man sich in solchen Schicksalsstunden die Frage: "Warum gerade wir? Warum gerade unser Kind?"

Trotz aller Tragik hatten wir jedoch von Anfang an das Gefühl, daß unser Kind hier im Herzzentrum Leipzig gut aufgehoben ist und mit viel Liebe seitens der Ärzte und Schwestern und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln betreut und behandelt wird. Die Gespräche mit den Ärzten machten uns immer wieder Hoffnung und gaben uns die Kraft, die wir in der nächsten Zeit brauchten.

Die erste OP fand bereits am 2. 3. 1999 stand. Hier wurde ein BT-Shunt (Bland-Taussig-Shunt) gesetzt, der für die nächsten Monate eine zufriedenstellende Sauerstoffsättigung sichern sollte.
Am 26. März konnten wir - nach einem kurzen Zwischenaufenthalt des Kindes im Kinderkrankenhaus Greiz - unseren Sohn endlich nach Hause holen.

Die nächsten Wochen waren geprägt von unserem Glück mit unserem kleinen Sonnenschein. Lucas entwickelte sich prächtig, nahm stetig zu (zum Glück kann meine Frau ausreichend stillen - auch heute noch) und wuchs und gedieh zu unser aller Freude. Niemand sah dem Kind seine schwere Krankheit an. Lucas entwickelte sich völlig normal.

In den letzten Apriltagen stellten wir anhand der uns zur Verfügung gestellten Geräte fest, daß die Sauerstoffsättigung auf 70 % abgesunken war nicht nicht mehr stieg. - Erneute Einweisung in die Herzklinik Leipzig am 3. 5. 1999, 2 Tage später Herzkatheteruntersuchung und zweite OP am 6. 5. 1999 zwecks Erweiterung des Vorhofseptums bei restrith. Foramen ovale. Zum Glück konnte meiner Frau im Klinikum ein Zimmer zur Verfügung gestellt werden, so daß sie stundenweise mit Lucas zusammensein kann, was sich in der Vergangenheit positiv auf seine Genesung ausgewirkt hat. Allerdings hat sich Lucas jetzt eine Lungenentzündung "eingefangen". Sobald diese auskuriert ist, soll in ca. 4 Wochen eine Glenn-Operation nachfolgen, um die Sauerstoffsättigung dauerhafter zu stabilisieren.

Es wird also noch eine Weile vergehen, bis wir unser kleines Kerlchen wieder zu Hause haben werden.


8.3.2000

Ende Juni war Lucas dann soweit, er war relativ stabil und seine Sauerstoffsättigung fällt nicht gleich unter 60%. Wir können endlich nach Hause gehen.

Die nächste Zeit ist sehr schön. Lucas entwickelt sich super, er bekommt schon mit 4 Monaten seinen 1. Zahn und kann mit 5 Monaten sich schon in seinem Lauflernwagen fortbewegen. Anfangs nur rückwärts aber auch schon bald überall hin wo hin er will. Am liebsten ist er in der Küche, wo er die Schranktüren auf und zu macht. Er ist so fröhlich und man kann nicht glauben, daß er krank ist. Er ist den ganzen Tag nur am rumwirtschaften. Bloß nicht mal ausruhen, man kann ja was verpassen.

Nach der Herzkathederuntersuchung im August wird der OP- Termin für die Glenn-OP festgelegt.

Und auf dem Weg ins Herzzentrum geschah das Unerklärliche. Als wir durch ein Waldstück fuhren, sprang uns ein Reh ins Auto und wir stießen noch mit einem entgegenkommenden Auto zusammen. Lucas war unverletzt und wir überglücklich, daß ihm nichts passiert war. Im Krankenhaus wurden wir untersucht, da mein Mann schwer verletzt war. Lucas spielte mit der Notärztin und den Schwestern, bis er nach 2 Stunden unruhig und nicht zu beruhigen war und sie ihn mir brachten, um Lucas zu trösten.

Doch als ich Lucas auf den Arm nahm, wußte ich schon, daß etwas nicht in Ordnung war. Lucas atmete noch 2 mal tief durch und dann starb er in meinen Armen.

Er wurde noch 1 1/2 Stunden reanimiert aber leider vergebens.

Unser Leben ist jetzt sehr traurig und leer und wir fragen uns immer nur Wieso. Vielleicht mußte es ja so kommen? Was hätte er alles noch erleiden müssen? Doch all diese Fragen können den Schmerz nicht weniger machen. Wir reden uns immer ein, daß es wohl das beste für Lucas war, aber verstehen können wir es nicht!!!

Doch wir möchten gerne, daß Lucas Seite noch weiterbestehen kann, um allen auch zu zeigen, daß man nicht nur an das "Herz" denken soll. Denn wir, wie wohl alle Eltern von "Herzchen", haben nur gehofft, daß mit den Operationen alles gut verläuft und daß die Klappen gut schließen, daß der Rhythmus stimmt und daß der Herzmuskel auch stark genug ist, um ein Leben lang zu arbeiten. An die ganz normalen Risiken des Lebens haben wir nicht gedacht.

 

Rainer Lengning

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