Fallot'sche Tetralogie (ToF)
Was ist Fallot'sche Tetralogie ?
Fallot'sche Tetralogie (im folgenden benutze ich auch die englische Abkürzung ToF für Tetralogy of Fallot) ist die nach dem französischen Kardiologen Etienne Fallot benannte Bezeichnung für das Zusammentreffen von vier (aus dem Griechischen: tetra) Fehlbildungen des Herzens:
- Zunächst ein Kammerscheidewanddefekt VSD
- Weiterhin eine Verengung der Pulmonalklappe (Pulmonalstenose)
- Drittens eine Verdickung der Wände das rechten Ventrikels (Hypertrophie), verursacht durch die hohe Pumpbelastung
- Und schließlich eine überreitende Aorta. Normalerweise entspringt die Aorta dem linken Ventrikel. Bei ToF ist die Aorta dergestalt verschoben, daß sie teilweise auch aus dem rechten Ventrikel entspringt. Da die Ventrikel durch die Scheidewand getrennt sind, ist es offensichtlich, daß die Aorta diese Scheidewand "überreitet".
Ich denke, ein Bild macht es klarer:
Aber Fallotsche Tetralogie ist nicht gleich Fallotsche Tetralogie. Jedes einzelne Kind mit TOF ist als Individuum zu würdigen, da das Ausmaß und die Lokalisation der Pulmonalstenose, die Größe der Blutgefäße in der Lungenperipherie, das Ausmaß des "Überreitens" der Aorta über einem unterschiedlich großen VSD und die Größe des verdickten rechten Ventrikels stark variieren können.
Fallotsche Tetralogie wurde auch die "Blaues-Baby-Krankheit" genannt. Die betroffenen Kinder haben eine bläuliche Hautfarbe, am auffälligsten an Zunge, Lippen, Finger- und Zehenspitzen. ToF ist nicht die einzige Herzkrankheit, die diese Blaufärbung (Zyanose) verursacht, aber die häufigste (etwa 8% aller angeborener Herzfehler).
Was verursacht die Blaufärbung ?
Das Blut beinhaltet einen Farbstoff, das Hämoglobin. Dieses Hämoglobin hat die Aufgabe, Sauerstoff zu transportieren. Bildlich gesprochen ist das Hämoglobin der LKW, der in den Lungen mit Sauerstoff beladen wird und dann durch die Arterien reist und in den verschiedenen Körperteilen die Organe mit Sauerstoff versorgt. Dann kehrt er entladen zur Lunge zurück, wo er wieder Sauerstoff aufnimmt.
Wenn Hämoglobin Sauerstoff trägt, ist es hellrot. Deshalb bezeichnet man "frisches" sauerstoffreiches Blut als "rotes Blut". Wenn das Hämoglobin den Sauerstoff abgegeben hat, verändert es seine Farbe zu blau oder purpur. Deshalb wird "verbrauchtes" sauerstoffarmes Blut, das durch die Venen zur Lunge zurückfließt blaues Blut genannt.
Normalerweise werden rotes und blaues Blut voneinander getrennt durch die Kammerscheidewand. Da bei der Fallot'schen Tetralogie aber die Aorta diese Trennwand überreitet und auch teilweise mit dem rechten Ventrikel verbunden ist, vermischt sich rotes mit blauem Blut bevor es in die Aorta gelangt. Dieses Mischblut hat eine bläuliche Färbung, die insbesondere dort gut zu erkennen ist, wo die Haut nur dünn ist und die Blutfarbe durchscheint, beispielsweise an der Zunge oder dem Nagelbett.
So sieht ToF im Echokardiogramm aus:
Welche Auswirkungen hat Fallot'sche Tetralogie ?
Abhängig von der Schwere der Pulmonalstenose fließt wenig Blut durch die Lungen und wird mit Sauerstoff "beladen". Dieses mischt sich dann auch noch mit dem verbrauchten Blut, so daß eine ständige Unterversorgung mit Sauerstoff besteht. Als Reaktion darauf erhöht der Körper den Hämoglobinspiegel. Dadurch wird das Blut dickflüssiger und es besteht die Gefahr von Klümpchenbildungen, die zu Lungenembolie oder Gehirnschlag führen können. Die ständige Unterversorgung der Organe, vor allem des Herzmuskels, kann auf Dauer zu Schäden führen, die auch durch eine Operation nicht mehr rückgängig zu machen sind.
Es gibt weitere Probleme: Bedingt durch den geringen Blutfluss entwickelt sich die Pulmonalarterie nicht richtig. In schweren Fällen entwickelt sie sich gar nicht oder ist gar völlig abwesend (Pulmonalatresie). Von der Entwicklung und Größe der Pulmonalis hängt stark der Zeitpunkt und die Art der Operation ab.
Die gefährlichste Komplikation sind hypoxämische Anfälle. Diese treten meist bei Babys zwischen dem 2. und 6. Lebensmonat auf. Wie aus heiterem Himmel werden die Kinder unruhig, beginnen zu schwitzen und zu weinen. Sie werden sehr blass und schwach bis zur Bewusstlosigkeit. Vorausgegangen ist eine unauffällige Ruhephase, teilweise waren die Babys gefüttert worden. Es sind aber keine körperliche Belastungen voraus gegangen.
Diese Anfälle werden verursacht durch eine krampfartige Verengung im Ausgang des rechten Ventrikels. Dadurch wird der Blutstrom zur Lunge weiter reduziert oder gar ganz unterbrochen. Während dieser Anfälle sind praktisch keine Herztöne mehr zu hören. Dieser Zustand dauert meist 10 bis 15 Minuten, kann aber auch länger währen und dann lebensbedrohlich werden. Die Ursache der hypoxämischen Anfälle ist noch völlig unbekannt.
Ein hypoxämischer Anfall begründet die Indikation zur sofortigen stationären Einweisung des betroffenen Kindes in eine Kinderklinik/Kinderkardiologie und zur raschestmöglichen Planung einer Operation.
Welche chirurgischen Optionen gibt es ?
Für die Operationsplanung ist die genaue Kenntnis der individuellen Verhältnisse sehr wichtig. Daher werden umfangreiche Untersuchungen, inklusive Herzkathterisierung vorgenommen, um insbesondere die Kreislaufverhältnisse, die Größe des Septum-Defektes und Art und Länge der Pulmonalstenose festzustellen.
Der Stand der heutigen Operationstechnik erlaubt meistens eine Korrektur mit nur einem Eingriff. Es gibt aber auch Situationen, bei denen zunächst vorbereitende, palliative Eingriffe notwendig sind.
Wie wird die Korrektur-Operation durchgeführt ?
Es findet eine Operation am offenen Herzen statt. Der Patient wird an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und das Herz angehalten. In den meisten Fällen öffnet der Chirurg den rechten Ventrikel kurz unterhalb der Pulmonalklappe.
Dann werden folgende Schritte vollzogen:
- Die verengte Pulmonalklappe wird "geöffnet" und die Stenose erweitert. Damit diese Erweiterung offen bleibt, werden die Ausflußbahn, die Pulmonalklappenregion und oft noch der Pulmonalisstamm durch eine Erweiterungsplastik vergrößert. Im untenstehenden Bild sehen Sie die Schere, die in die verengte Region schneidet.
- Teile der verdickten Muskulatur des rechten Ventrikels -insbesondere unterhalb der Pulmonalklappe- werden entfernt. Diese verdickten Muskelteile würden sonst den Blutfluß zur Pulmonalarterie behindern. Diese Muskelpartien werden im unteren Bild mit A bezeichnet.
- Der Kammerscheidewand-Defekt (VSD) wird mit einem Flicken aus Dacron oder Gore-Tex verschlossen. Dieser Flicken wird so aufgesetzt, daß die Aorta nur noch mit dem linken Ventrikel verbunden ist. Dadurch wird der normale Blutfluß wieder hergestellt und die Vermischung von rotem und blauem Blut beendet.
Dieser Gore-Tex-Flicken ist als weißer Stoff im unteren Bild zu erkennen.
Danach wird der Ventrikel und die Schlagader durch Nähte wieder verschlossen, die Herz-Lungen-Maschine wird schrittweise heruntergefahren, bis das Herz den Kreislauf wieder alleine versorgen kann.
Es ist eine Fallot-Korrektur auch ohne Eröffnen der Wand der rechten Herzkammer möglich. Teilweise erfolgen Fallot-Korrektur-OPs über einen Zugang durch den rechten Vorhof und die Tricuspidalklappe. Es ist rein theoretisch günstiger, keine Narbe in der Muskelwand der rechten Herzkammer zu haben (-> Langzeitproblem Rhythmusstörungen).
Palliative Operationen
Es können Umstände vorliegen, die es unmöglich machen, eine Korrektur-OP, wie oben beschrieben, in einem Zuge durchzuführen.
So kann das Kind zu klein und zu schwach sein, um einen solch komplizierten und lange dauernden Eingriff zu überstehen.
Oder die Verengung der Lungenschlagader hat eine solche Dimension, daß sie während der Korrektur-OP nicht vollständig beseitigt werden kann. Nach der Korrektur-OP müsste der rechte Ventrikel in diesem Fall das Blut mit Kraft durch diese verbliebene Engstelle pumpen. Diese Überbelastung könnte langfristig zum Versagen des Ventrikels führen. Wird zuerst eine palliative Operation durchgeführt, kann dieses Problem vermieden werden.
Palliativ wird im Allgemeinen der Blalock-Taussig-Shunt angewendet.
Diese Operation ist benannt nach der Kardiologin Dr. Helen B. Taussig, die diese Idee entwickelte und dem Chirurgen Dr. Alfred Blalock, der die OP erstmals am 23.9.1944 durchführte.
Bei dieser Operation wird die Schlagader, die zum rechten oder linken Arm führt, einige Zentimeter hinter ihrem Ursprung durchtrennt und nach unten zur Lungenschlagader verlegt, mit der sie dann nach Schaffung einer Öffnung vernäht wird. Hierzu wird ein haarfeines Garn verwendet. Der Effekt ist, daß ein Teil des Blutes durch die Pulmonalis zur Lunge fließt. Hierdurch wird zweierlei erreicht:
Die Lungendurchblutung erhöht sich. Dadurch wird die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff verbessert.
Weiterhin wird durch den erhöhten Durchfluß die Pulmonalarterie angeregt, sich aufzuweiten. Dadurch können sich die Engstellen erweitern und die Aussichten einer folgenden Korrektur-OP deutlich verbessern.
In der heute meist angewendeten modifizierten Form wird mit einem Gore-Tex-Röhrchen die Verbindung zwischen Arterie und Lungenschlagader hergestellt.
Auch hier kann ein Bild mehr Klarheit schaffen:
Mit "A" wird die Aorta gekennzeichnet, "B" ist die Pulmonalis, "C" die rechte Pulmonalerterie, "D" die rechte Armschlagader und "E" der Shunt.
Aussichten nach der Korrektur
Die Todesrate während der Op liegt unter 5%. Manchmal werden Re-Operationen notwendig, weil beispielsweise die Pulmonalstenose nicht ganz beseitigt wurde oder der VSD-Verschluß undicht wird. Selten wird ein Herzschrittmacher notwendig, wenn durch die OP die Reizleiter im Herzen beeinträchtigt wurden.
Bei den vor 25 Jahren korrigierend operierten Fallot-Patienten lag die 10-Jahres-Überlebensrate bei etwa 50%.
Ein wichtiges Langzeitproblem sind schwere Herzrhythmusstörungen, die zu plötzlichen Todesfällen führen können.
Es weiss niemand definitiv, wie die Lebenserwartung eines Fallot-Patienten ist, der heute mit den verbesserten Methoden operiert wird. Es besteht die Hoffnung, daß durch die verbesserte Diagnostik, bessere Therapie, frühzeitige Korrektur-OP-Möglichkeit, bessere Anästhesie, bessere Intensivtherapie und bessere Langzeitüberwachung, die Lebensqualität und auch die Lebenserwartung verbessert werden.
Ambulante Kontrollen werden in weiten Abständen (etwa 1mal jährlich, alle 2-3 Jahre Langzeit-EKG) durchgeführt werden müssen. Und die Vorsichtsmaßnahmen zur Vorbeugung vor Bakterieller Endokarditis sind lebenslang zu beachten.
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